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Energiepolitische Weichenstellungen nach der Wahl – Herausforderungen und Chancen für die kommende Legislaturperiode

Die Bundestagswahl am 23. Februar hat nicht nur insgesamt weniger Mandatsträger ins Parlament gebracht, sondern auch einige Fachpolitiker im Energiebereich sind nicht wieder eingezogen. Von den sich anschickenden Regierungsparteien hat die SPD einiges an Personal verloren. Im Folgenden werden vier Themenbereiche analysiert. Angesichts der weltpolitischen Lage bleiben einige Unbekannte, doch feststeht: Mehrere in der letzten Legislaturperiode begonnene Reformvorhaben müssen fortgeführt werden.


Wie weiter mit dem Kapazitätsmarkt?

Nach dem Ende der Ampelkoalition konnten zwar noch einige Gesetzesvorhaben mit Stimmen der Opposition auf den Weg gebracht werden (wie etwa das KWKG), für das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) galt dies aber nicht. Nachdem das Gesetz auf Grundlage der Kraftwerksstrategie erarbeitet und in die Verbändeanhörung gegeben wurde, sollte sich das verbliebene Bundeskabinett ursprünglich im Dezember mit dem Gesetzentwurf befassen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) erkannte die Notwendigkeit sowie Dringlichkeit, das Gesetz auf den Weg zu bringen. Auch die Union signalisierte Zustimmung.


Letztlich sahen Energieverbände jedoch noch erheblichen Nachbesserungsbedarf bei dem Gesetzentwurf – die angedachten Regelungen, v. a. H2-ready-Kraftwerke, seien immer noch mit zu hohen Risiken behaftet. Die Bundesregierung gab das Vorhaben auf, als absehbar wurde, dass die Überarbeitung des Gesetzentwurfs zeitlich zu knapp würde und die Union ihre Zustimmung verweigerte.


Doch abseits dieser kurzfristigen Entwicklung ist das KWSG ein Beispiel für Missperzeptionen und Hoffnungen der Politik in den letzten Jahren. Ein zentraler Grund für das Scheitern war das jahrelange Zögern der Politik. Immer wieder wurde gehofft, dass Investoren sich auch ohne staatliche Anreize für den Bau neuer Gaskraftwerke entscheiden würden. Spätestens mit den Marktverwerfungen der Energiekrise 2022/23 wurde jedoch klar, dass dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig fürchteten viele Politiker, die Akzeptanz der Energiewende zu gefährden, wenn sie sich für neue Gaskraftwerke aussprachen, und wichen der Debatte aus. Diese Haltung ignorierte jedoch die energiewirtschaftliche Realität.


Ein weiteres Problem war die fehlgeleitete Verknüpfung des Gaskraftwerkszubaus mit dem Wasserstoffhochlauf. Zwar ist der Einsatz klimaneutralen Wasserstoffs langfristig wünschenswert, doch aktuell ist er noch viel zu teuer und die nötigen Kraftwerke sind nicht in ausreichendem Maß verfügbar. Dennoch wurden Förderbedingungen geschaffen, die einen frühen Umstieg auf Wasserstoff erzwangen und einen flexiblen Mischbetrieb untersagten. Diese Vorgaben führten dazu, dass moderne Kraftwerke benachteiligt wurden, während weniger effiziente Anlagen länger in Betrieb bleiben könnten.


Im ursprünglichen Entwurf war ein Kraftwerkszubau bis 2030 von 12,5 GW vorgesehen, wobei die Branche von einem Bedarf von bis zu 21 GW ausgeht, um die Volatilität von Sonne und Wind sowie die Abschaltung fossiler Kraftwerke auszugleichen. Da in der ehemaligen Ampelkoalition vor allem die Grünen mit dem Zubau zum Teil fossiler Kraftwerke fremdelten, dürfte eine Einigung zwischen den voraussichtlich neuen Koalitionären Union und SPD wahrscheinlich sein. Auch eine deutliche Erhöhung der Kraftwerkskapazitäten, wie sie die Union in der letzten Legislaturperiode immer wieder gefordert hatte, ist zu erwarten. Offen ist, ob die neuen Kraftwerke mithilfe des kommenden Sondervermögens finanziert werden sollen.



Wasserstoff-Kernnetz, Regulierung und H2-Importe

Der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes ist im vollen Gange – beinahe täglich melden Netzbetreiber und Projektierer den Baubeginn von H2-Infrastrukturen. Parallel treibt die Bundesnetzagentur mit den Festlegungsverfahren WasABi (Wasserstoff Ausgleichs- und Bilanzierungsgrundmodell) und WaKandA (Wasserstoff Kapazitäten Grundmodell und Abwicklung des Netzzugangs) den regulatorischen Rahmen für den Hochlauf des deutschen Wasserstoffmarkts voran. Sie will ein transparentes, verlässliches und rechtssicheres System schaffen, das den technischen und wirtschaftlichen Anforderungen der Wasserstoffwirtschaft entspricht. Die Regelungen umfassen die Abwicklung von Netzzugang und Bilanzierung sowie die Einführung eines deutschlandweiten Marktgebietsmodells für Wasserstoffnetze. Beide Verfahren befanden sich bis Ende Februar in der zweiten Konsultationsphase.


Das EU-Gas- und Wasserstoffpaket (2024) legt hierbei die rechtlichen Grundlagen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft fest. Es regelt den Zugang zu Wasserstoffnetzen, Kapazitätsbuchungen und Entflechtungsvorgaben. In Deutschland schafft das EnWG mit einem Entry-Exit-System (§ 28n EnWG) und einer intertemporalen Kostenallokation (§ 28r EnWG) die Basis für eine flexible Nutzung und finanzielle Absicherung des Wasserstoff-Kernnetzes. Die BNetzA setzt mit WasABi und WaKandA regulatorische Maßstäbe, um Netzbetreibern, Lieferanten und Verbrauchern Transparenz und Effizienz zu ermöglichen.


Doch abseits der nationalen Wasserstoffherstellung stellt sich für die neue Bundesregierung die Frage, wie der Import von – vorzugsweise „grünem“ – Wasserstoff gelingen kann. Die scheidende Bundesregierung erwartet im Jahr 2030 für Deutschland einen Bedarf an Wasserstoff und Derivaten in Höhe von 95-130 TWh, bei einem Importanteil von 50 bis 70 %. Bis 2045 wird der Bedarf auf etwa 360-500 TWh für Wasserstoff sowie 200 TWh für Wasserstoffderivate ansteigen.


Mit Blick auf das in den letzten Tagen viel besprochene Sondervermögen „Infrastruktur“, dürfte das Wasserstoff-Kernnetz nicht profitieren. Die Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes soll vollständig bei den Netznutzern liegen. Der Staat soll erst eingreifen, falls die Nutzung hinter den Prognosen zurückbleibt – frühestens jedoch ab 2040. Allerdings könnten Wasserstoffspeicher sowie die frühere Stilllegung der Gasnetze bzw. deren Umstellung auf H2 hieraus finanziert werden.


Netzausbau, Strommarkt und Smart-Meter

Hinlänglich bekannt ist die erforderliche Anpassung der Stromverteilung. Ein auf zentrale Erzeugung ausgerichtetes Stromnetz, das fortan in erster Linie von erneuerbaren Energien dezentral gespeist wird, steht vor zwei großen Herausforderungen. Erstens: Das Übergewicht des erneuerbaren Stroms, der in erster Linie aus Wind im Norden gewonnen wird, muss in rauen Mengen gen Süden transportiert werden. Dort sitzen die größten Verbraucher. Folglich braucht es leistungsstarke Stromtrassen. Die Umsetzung zieht sich seit Jahren. Es sind z. T. Genehmigungsfragen, aber auch Widerstände der Bürger – insbesondere gegen Überlandleitungen. Die Union setzt voll auf diesen günstigeren Weg. Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm im Grunde zum Thema Netzausbau nicht geäußert.


Zweitens die notwendige Flexibilisierung von Verbrauch, Tarifen und damit Kosten. Mit Blick darauf fehlt nach wie vor die Verzahnung von Erzeugung und Speicherung im ErneuerbarenBereich. Großes Flexibilisierungspotenzial bleibt eben ungenutzt, weil Automatisierung und Digitalisierung im Netz nur schleppend vorankommen. Sie könnten in Verbindung mit Speicherung mehr Anreize für flexiblen Stromverbrauch – etwa durch dynamische Tarife und variable Netzentgelte bieten. Damit das besser funktioniert, muss vor allem der Smart MeternEinbau beschleunigt werden. Hier wiederum stößt das bisherige System mit seinen über 860 Stromnetzbetreibern allein in Deutschland an seine Grenzen. Ein System, das zudem Unternehmen und private Haushalten Milliarden kostet. Experten beziffern die Summe möglicher Einsparungen durch Flexibilisierung und weniger bürokratische Instanzen auf 8-10 Mrd. €/Jahr.


Wie kann die Transformation finanziert werden? Die Union möchte für den Bau der Netze private Investoren gewinnen. Deren Gewinne könnten dann später aus den Netzentgelten kommen – ähnlich der Autobahnmaut für private Betreiber. Allerdings sind die Entgelte genau die, die sinken sollen, weil sie den Strom verteuern. Die SPD will auch für den Netzausbau ein Sondervermögen und nennt das „Deutschlandfonds“. Hier sträubt sich die Union. Allerdings sind aktuell ja zwei Sondervermögen im Gespräch: Verteidigung und Infrastruktur.


Doch da ist bisher noch vieles sehr unkonkret: CDU/CSU wollen eine „effiziente Verknüpfung“ von erneuerbaren Energien, den Netzen und adäquaten Speichersystemen; einhergehend mit einem „integrierten Netzausbau“. Was genau mit „Standardisierung“ verschiedener Netze wie Strom, Wärme, Gas und Wasserstoff gemeint ist, bleibt ebenfalls nebulös. Auch die SPD will die kommunalen Wärmenetze weiter vorantreiben. Aber auch hier ist in der Fläche noch lange nicht absehbar, wer, welche Angebote bis wann bereitstellen kann.


Ein Plan für die Erneuerbaren?

An den Ausbauplänen soll nicht gerüttelt werden. Heißt konkret: 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden. Das ist der gesamte Stromverbrauch aller Endverbraucher (Haushalte und Unternehmen) minus Umwandlungs- und Netzverluste. Wo unterscheiden sich die wohl zukünftigen Koalitionäre? Die SPD setzt hauptsächlich auf Windkraft und Photovoltaik und erwähnt andere Formen erneuerbarer Energien in ihrem Wahlprogramm gar nicht. Sie setzt darauf, dass diese beiden Formen den günstigsten Strom liefern. Die CDU/CSU geht auch auf Geothermie, Wasserkraft und Bioenergie (z. B. Agrarabfälle, Gülle oder Holz) ein. Beim Thema Bioenergie hat es Anfang des Jahres noch eine gesetzliche Änderung gegeben. Seit November 2024 gibt es die Nationale Biomassestrategie (NABIS). Am 31.01.2025 hat der Bundestag Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschlossen. So soll die Strom- und Wärmeversorgung aus Biogasanlagen erhalten bleiben und ihre Rolle für die Versorgungssicherheit gestärkt werden.



 
 
 

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