Nach dem Ende der Ampelkoalition steht die Zukunft wichtiger energiepolitischer Projekte auf der Kippe. Ob das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) noch verabschiedet wird, bleibt unklar. Gleichzeitig gerät die Umsetzung von Strategien zur Energiespeicherung, Digitalisierung und Biomasse ins Stocken. Dieser Überblick beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, politischen Entscheidungen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Energiewirtschaft.
Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG)

Nachdem die Konsultationsfrist für die Kraftwerksstrategie, die mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) umgesetzt werden soll, am 23. Oktober endete, ist derzeit unklar, ob das Vorhaben nach dem Ende der Ampelkoalition noch auf den Weg gebracht wird. Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gehört das KWSG zu einer Reihe von Gesetzesvorhaben, die breite Unterstützung fänden und nicht länger aufgeschoben werden dürften. Tatsächlich besteht die Chance, mithilfe der Union, die dem Vorhaben seit Beginn positiv gegenübersteht, das Gesetz zu verabschieden. In der am 5. November vorgestellten „Energie-Agenda“ spricht sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dafür aus, Gaskraftwerke schnell ans Netz zu bringen und brachte für die Dekarbonisierung reiner Gaskraftwerke auch die Anwendung von CCS ins Spiel.
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Die Bundesregierung plant noch in diesem Jahr die Anhörung der Bundesländer und Verbände sowie den Kabinettsbeschluss. Die Energieminister der Bundesländer hatten vor zwei Wochen in ihrer „Brunsbütteler Erklärung“ erklärt, wichtige Gesetze im Energiebereich auch weiterhin zu unterstützen, insbesondere um ggfs. notwendig werdende Ausschreibungen voranzubringen.
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Aktuell sind der Bau und die Umrüstung von Kraftwerkskapazitäten im Umfang von 12,5 GW geplant. Anfang des kommenden Jahres plant Berlin, zunächst 5 GW an potenziell wasserstofffähigen Kraftwerken auszuschreiben, während parallel an der Ausschreibung für die Umrüstung von 2 GW gearbeitet wird. Zuvor hatte sich die Bundesregierung mit der Europäischen Kommission in beihilferechtlichen Fragen geeinigt, sodass grundlegende Änderungen am Ausschreibungsdesign kaum noch zu erwarten sind – andernfalls müsste dieses Verfahren wiederholt werden.
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Abgesehen von dieser politischen Großwetterlage beschäftigt die Energiebranche auch die konkret zu erwartenden Auswirkungen des KWSG. Einer Analyse von Aurora Energy Research zufolge, könnte mit dem vorliegenden Ausschreibungsdesign der Bau reiner Gaskraftwerke attraktiver als der Bau von H2-Anlagen werden. Demnach gebe es für die Inbetriebnahme der Kraftwerke im Jahr 2030 eine Finanzlücke zum profitablen Betrieb bei reinen Gaskraftwerk um 17 Prozent geringer im Vergleich zu Wasserstoffanlagen.
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Speicherstrategie
Zur Konsolidierung des Stromnetzes werden Batteriespeicher in Zukunft deutlich an Relevanz gewinnen. Dabei sind derzeit Großspeicher mit einer Leistung von lediglich 1,4 GW und einer Kapazität von 1,8 GWh installiert. Der Bedarf ist derweil riesig: bei den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB; 50Hertz, Amprion, TenneT, TransnetBW) sind Netzanschlussanfragen über insgesamt 161 GW bis 2030 eingegangen. Die ÜNB gehen davon aus, dass 70 bis 80 % dieser Anfragen technisch machbar wären. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) war in einer aktuellen Studie noch von 86 GWh Batteriespeicherkapazität ausgegangen.
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Die Volatilität des Stromnetzes induziert den Bedarf von Speicherkapazitäten, doch politisch ist bis auf den geplanten Kapazitätsmarkt (Kraftwerkssicherheitsgesetz), bei dem der Fokus jedoch auf Reservekraftwerken (Gas) liegt, wenig passiert. Im Dezember 2023 legte das BMWK eine Stromspeicher-Strategie vor und führte eine Stakeholderkonsultation durch. Im März 2024 folgte dann ein Eckpunktepapier, das Strom-, Wärme- und Wasserstoffspeicher gemeinsam betrachtete. Im Zuge des Solarpakets I wurde die Speicherthematik im Wesentlichen nicht aufgegriffen.
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Lediglich im Jahressteuergesetz 2024 wurde eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Energiespeicher beschlossen. So werden bei der Gewerbesteuer künftig Regelungen analog zu Windkraft- und Solaranlagen gelten – demnach sollen die Standortgemeinden der Energiespeicheranlagen angemessen am Gewerbesteueraufkommen der Anlagenbetreiber beteiligt werden, um vor Ort Akzeptanz zu schaffen.
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Die Bundesregierung hatte ursprünglich vor, eine integrierte Speicherstrategie vorzulegen, die eine „systemdienliche“ Nutzung der unterschiedlichen Speicherformen im Kontext der Energiewende vorsah. Unter dem Schlagwort der „kaskadierenden Nutzung“ soll jede Speichertechnologie gemäß ihrer Stärken eingesetzt werden. Batteriespeicher für schnelle Energieein- und -ausspeicherung mit hoher Zyklenzahl, Wärmespeicher für die langfristige und kostengünstige Energiespeicherung und Elektrolyseure als Quellen von Wasserstoff und Abwärme für Fernwärmenetze. Regulatorische Benachteiligungen sollten identifiziert und beseitigt werden; der Fokus sollte auf Wärmespeichern gelegt werden.
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Konkrete gesetzliche oder regulatorische Maßnahmen oder eine Weiterentwicklung der Speicherstrategie sind in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten. Da der im Zuge des KWSG einzuführende Kapazitätsmarkt hinter den erforderlichen Kapazitäten zurückbleiben wird und hier Gaskraftwerke im Fokus stehen, wird die Schaffung eines bundesweiten Speichernetzes eine Aufgabe für die neue Bundesregierung sein.
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Smart-Meter und Smart Grid
Wie hier bereits berichtet, bringt das 2023 in Kraft getretene „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW)“ offenbar nicht den gewünschten Schwung. Geplant war eine Novellierung. Aktuell soll das Thema im Rahmen einer Erweiterung der Energiewirtschaftsgesetz-Novelle angegangen werden. Mit dem Bruch der Regierung ergeben sich aber Fragezeichen.
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Das war bis dato u. a. geplant: Kostenpauschale für Messstellenbetrieb im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) um 10 Euro auf 30 Euro anheben; auch die Installationspauschalen sollen steigen. Einbaupflicht für die intelligenten Zähler künftig erst bei Haushalten (ohne Erzeugungsanlagen oder steuerbare Verbraucher) mit einem Stromverbrauch von 10.000 Kilowattstunden, statt wie bisher 6.000 Kilowattstunden.
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Jetzt sind es zwar wieder die 6.000 kWh, aber ohne Einbaupflicht für alle, eine einfachere Technik und eine entsprechende Datenplattform dahinter (Branche schlägt britisches Modell – Data Communication Company vor) mache es keinen Sinn: zu kompliziert, zu aufwendig für Messstellenbetreiber, zu wenig Nutzen für „Großverbraucher“ und zu kostspielig.
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Bioenergie & Biomassestrategie
Seit nunmehr über zwei Jahrzehnten intensiv genutzt und Gegenstand vieler Diskussionen: „Tank versus Teller“ war und ist z. B. so eine. So vielfältig die Energiequellen für Strom und Wärme in diesem Bereich sind, die Biogasgewinnung beispielsweise aus Mais spielt eine Hauptrolle. Ohne staatliche Förderung via garantierter Einspeisevergütung haben sich diese Anlagen aber nie rentiert. Die Förderung ist aber auf 20 Jahre begrenzt. Zu Beginn des Jahres 2025 sind einige Hundert Megawatt Erzeugungskapazität betroffen. Ohne regulatorische Änderungen setzt sich das dann in den kommenden Jahren fort.
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Darum wird gerade diskutiert, inwieweit die Bioenergie-Branche eine Art Backup-Struktur zu schwankendem Wind- und Solarstrom bilden kann. Das wiederum hängt auch eng mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz und dem darin geplanten Kapazitätsmarkt zusammen.
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Die bereits 2022 vorgelegten Eckpunkte für eine Nationale Biomasse-Strategie (drei Ministerien: Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft) sollten schon 2023 in eine Strategie und in der Folge in Regulierung münden. Obwohl alle drei Ministerien bisher „in einer Hand“ sind (B90/Die Grünen), sind die außerparlamentarischen Aktivitäten gewaltig.
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Hier einige Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) aus Oktober 2024: Aus Biomasse und biogenem Abfall wurden im Jahr 2023 etwa 49,0 Mrd. kWh Strom bereitgestellt. Gegenüber 2022 (51,7 Mrd. kWh) sank der Wert damit um etwa 5 %. Maßgeblich für die Stromerzeugung aus Biomasse sind vor allem Biogas (28,4 Mrd. kWh), feste Biomasse (10,7 Mrd. kWh), und der biogene Anteil des Abfalls (5,6 Mrd. kWh). Insgesamt liegt die Stromerzeugung aus Biomasse damit seit ungefähr zehn Jahren auf etwa gleichbleibendem Niveau.
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Im ersten Halbjahr 2024 lag der Anteil des in Deutschland erzeugten Stroms aus Biomasse bei 9,6 %. Laut einer Studie, die in der Zeitschrift „Energy Strategy Reviews“ im September 2024 veröffentlicht wurde, ergibt die Nutzung von Wind und Solar einen 10- bis 70-fach höheren Energieertrag pro Landfläche als bei Biomasse.
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Einen anderen Aspekt führt eine Kurzstudie des Fachverbands Biogas auf: Bei mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerken ergeben sich für das Jahr 2030 Stromgestehungskosten zwischen 49 bis 133 Cent pro Kilowattstunde. Bei biogasbasierten Kraftwerken sind es 25 bis 44 Cent. Das spräche für die Nutzung in Back-up-Strukturen.
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