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AutorenbildAlexander Schweda

Von Silicon Valley nach Deutschland: Auswirkungen der Entlassungswelle in der US-Techbranche

Aktualisiert: 14. Apr. 2023

Die Entlassungswelle, die derzeit vor allem den Tech-Bereich der USA betrifft, scheint kein Ende nehmen zu wollen. Seit Mitte 2022 kommen jeden Monat neue Meldungen über Massenentlassungen in den USA an die Öffentlichkeit. Ist diese Entwicklung branchenspezifisch oder bereits am gesamten Arbeitsmarkt der USA zu erkennen? Und welche Auswirkungen sind auf dem deutschen Markt beobachten?


Zuletzt gingen zahlreiche Meldungen hinsichtlich eines Stellenabbaus in der US-amerikanischen Techbranche durch die Medien:


“Google to lay off 12,000 employees, the latest tech giant to cut thousands of jobs”

“Meta could cut thousands of jobs, after CEO predicted no more layoffs”

“Amazon layoffs: Company to cut 9,000 more workers”


Von Januar bis Mitte Februar haben 297 Unternehmen bereits 95.000 Menschen in den USA entlassen, was allerdings nur den Höhepunkt dieser Entwicklung darstellt, die bereits im letzten Jahr einsetzte. Die Entlassungen betreffen derzeit vor allem Unternehmen aus dem Informationssektor wie Google, Meta, Spotify, IBM, Microsoft und Amazon. Wie lang diese Entwicklung anhalten wird, ist in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation schwer einzuschätzen.

Betrachtet man die Daten des U.S. Bureau of Labor Statistics (BLS) gibt es im ersten Moment Grund zur Erleichterung. Zunächst zeigt sich, dass die aktuellen Entlassungswellen keinen signifikanten Einfluss auf die Arbeitslosenquote des Landes haben. Was lässt sich daraus schließen? Verglichen mit den Zahlen der Entlassungswelle, die zu Beginn der Corona-Pandemie herrschte, scheint es mit Blick auf den gesamten US-amerikanischen Arbeitsmarkt deutlich glimpflicher zu verlaufen. Während zum Höhepunkt der Pandemie die US-Arbeitslosenquote die Marke von beinahe 15 % (April 2020) erreichte, lag diese im Januar 2023 bei lediglich 3,4 %. Ist diese Entlassungswelle in der Tech-Branche also nur das Ergebnis übereilter Einstellungen nach dem Auslaufen der Coronabeschränkungen?


Hier gilt es vorsichtig zu bleiben, denn die aktuelle weltwirtschaftliche Lage unterscheidet sich deutlich von der Situation zu Pandemiezeiten. Die pandemischen Einschränkungen hatten massive Auswirkungen auf das Konsumverhalten und damit auf die Volkswirtschaft insgesamt. Durch die Beschränkungen des öffentlichen Lebens waren viele Bereiche der Wirtschaft nur noch eingeschränkt leistungsfähig. Dies führte auf der einen Seite zu Entlassungen in Sektoren wie etwa dem Einzelhandel und der Hotellerie/Gastronomie. Auf der anderen Seite stiegdie Nachfrage nach neuen Online-Angeboten in Form von Online-Shopping, Streaming oder Sozialen Medien. Um die schlagartig gestiegene Nachfrage decken zu können, mussten Tech-Unternehmen schnell neues Personal einstellen. Retrospektiv dürfte dies nun ein Fehler gewesen sein, wie Sundar Pichai, CEO von Google Inc., einräumen musste: „We hired for a different economic reality than the one we face today.“


Situation in Deutschland

Was bedeutet diese Entwicklung nun für Deutschland? Im Kommunikations- und Informationsbereich sind in Deutschland seit Dezember 2021 74.000 Erwerbstätige hinzugekommen. Damals wie heute, leiden bestimmte Branchen weiterhin unter Fachkräftemangel. Dazu gehört in besondere Weise auch die Tech-Branche. Die durch die Coronapandemie von Arbeitslosigkeit Betroffenen kamen dabei wie im Fall der USA meist aus Branchen, die dem öffentlichen Leben dienen.


Die deutsche Wirtschaft konnte sich nach einer kurzen aber verhältnismäßig starken Rezession während der Pandemie im Jahr 2020 schnell wieder erholen. Trotz eines Rückgangs von 3,7 % im Jahr 2020 konnte in den darauffolgenden Jahren ein Wirtschaftswachstum von immerhin 2,6 % (2021) bzw. 1,8 % (2022) realisiert werden. Die negative Entwicklung zu Pandemiezeiten machte sich dabei überraschend schwach auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. In Deutschland lag die Arbeitslosenquote zum Höchststand im August 2020 bei gerade einmal 6,4 %.


Trotz der derzeit schwachen Konjunktur scheinen sich die Arbeitslosenzahlen beständig auf niedrigem Niveau zu halten. In absoluten Zahlen erkennt man verglichen zum Vorjahr einen leichten Anstieg von 192.000 Arbeitslosen (+7,9 %) auf insgesamt 2,62 Millionen. Einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit zufolge, ist die weitere wirtschaftliche Entwicklung international als auch innerhalb Deutschlands mit Unsicherheiten verbunden. Nicht nur die deutsche Wirtschaftsleistung ist im vierten Quartal 2022 um 0,4 % gesunken, auch international weisen Staaten wie China, die USA oder Großbritannien ein weitestgehend stagnierendes Bruttoinlandsprodukt auf. Die Skepsis und die gegebenen wirtschaftlichen Unwägbarkeiten können hierbei mittelfristig spürbare Effekte auf den Arbeitsmarkt haben.

Eine Frage bleibt dabei offen. Wieso blieb der deutsche Arbeitsmarkt trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit nahezu unbeeinflusst? Eine wichtige Rolle dürfte hier das Kurzarbeitergeld gespielt haben, das den Betrieben ihre eingearbeiteten Mitarbeiter und den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze sichern soll. Das ifo (Institut für Wirtschaftsforschung) geht davon aus, dass im Februar 2023 noch ca. 220.000 ihren Anspruch auf Kurzarbeit geltend machten. Dies spiegelt einen leichten Anstieg im Vergleich zum Januar wider. Ein weiterer Faktor, der Deutschland von den USA unterscheidet, sind die ausgeprägten sozialen Sicherungssysteme, die es Arbeitslosen ermöglicht, unter anderem durch Weiterbildungen verhältnismäßig schnell in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Für Deutschland gilt darüber hinaus zu beachten, dass seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine über eine Million Ukrainer und Ukrainerinnen nach Deutschland flüchteten. Der absolute Anstieg der Arbeitslosenzahlen beruht der Bundesagentur für Arbeit zufolge fast ausschließlich auf der Betreuung ukrainischer Geflüchteter.


Beunruhigender erscheint hingegen eine Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Nachfrage nach Neueinstellungen in der Wirtschaft. Demnach ist die Nachfrage seit einem halben Jahr spürbar zurückgegangen, bewegt sich aber weiterhin auf stabilem Niveau. Der Rückgang könnte sich langfristig noch deutlicher auf den Arbeitsmarkt auswirken.


Für den Euroraum lässt sich eine ähnliche Entwicklung wie in Deutschland erkennen. Die Erwerbslosenquoten stiegen kurzfristig im Verlauf des letzten Jahres an und sanken schließlich über das Jahr hinweg um 0,2 % (Januar 2023). Dieser kurzfristige Anstieg hängt ebenfalls mit dem Krieg in der Ukraine zusammen. Der Verlauf der Kurve ähnelt dabei stark der von Deutschland. In der Europäischen Union (EU 27) hat im Vergleich zum Vorjahresmonat die Zahl der Erwerbslosen um 0,2 % abgenommen. Lediglich der leichte Ausreißer zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine, welchen man sowohl für Deutschland als auch für den Euroraum erkennen konnte, schlug sich nicht in der Europäischen Union (EU 27) nieder.


Unsere Analyse – Nachhaltige Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt durch wirtschaftliche Unsicherheit wahrscheinlich

Die Massenentlassungen im US-amerikanischen IT-Sektor sind im Wesentlichen auf Neueinstellungen während der Coronapandemie zurückzuführen, die nun wieder rückgängig gemacht werden. Mit dem verhältnismäßig raschen Ende der Einschränkungen des öffentlichen Lebens verringerte sich auch der Personalbedarf bei Google, Amazon & Co. Die Meldungen hierüber dürften zwar überraschend und beunruhigend sein, wirken sich jedoch kaum auf den ganzheitlichen Arbeitsmarkt aus. Weder in den USA noch in Deutschland/Europa lässt sich ein starker Anstieg der Arbeitslosenzahlen beobachten. Viel nachhaltiger dürfte sich hingegen die Unsicherheit, der sich manche Unternehmen angesichts hoher Inflationsraten, gestiegener Produktionskosten und gestörten Lieferketten gegenüberstehen, auf den Arbeitsmarkt auswirken. Einen ersten Hinweis liefert die verhaltene Einstellung vieler deutscher Unternehmen mit Blick auf die Einstellung neuer Mitarbeiter. Diese Tendenz könnte sich in den kommenden Monaten konsolidieren. Historisch gesehen haben hohe Inflationsraten und der darauffolgende Anstieg der Leitzinsen der Zentralbanken stets zu einer höheren Arbeitslosenquote geführt. Insofern könnten wir am Anfang einer Entwicklung stehen.


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