Das hat unlängst eine Studie aus England ergeben. Europas größte Smartphone und Online-Lifestyle-Plattform vouchercloud hat 1.989 Vollzeitarbeitende zum Thema Produktivität am Arbeitsplatz befragt. Die Arbeitsproduktivität misst dabei die Wertschöpfung, die ein Beschäftigter mit seiner Arbeit schafft. Sie ist damit ein zentraler Indikator, um wirtschaftlichen Fortschritt zu messen.
Das Ergebnis fiel überraschend niedrig aus, denn laut der Studie sind die Mitarbeiter bei einem 8 Stunden Arbeitstag nur 2 Stunden 50 Minuten produktiv am Arbeiten.
Dabei beschäftigen sich die Befragten in der restlichen Zeit wie folgt:
Soziale Medien (47 % / 44 Min)
Nachrichten lesen (45 % / 1 Std und 5 Min)
Private Gespräche mit Personen im Büro (38 % / 40 Min)
Kaffee holen (31 % / 17 Min)
Raucherpausen (28 % / 23 Min)
Nachrichten auf dem Mobiltelefon beantworten (27 % / 14 Min)
Snacks essen (25 % / 8 Min)
Essen zubereiten (24 % / 7 Min)
Anrufe beim Partner oder bei Freunden (24 % / 18 Min)
Suche nach neuem Job (19 % / 26 Min)
79% der Befragten schlussfolgerten, es sei überhaupt nicht möglich die vollen 8 Stunden am Tag produktiv und konzentriert zu arbeiten.

Schon 2007 hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, welche die Europäischen Länder hinsichtlich ihrer wöchentlichen Arbeitszeit und Produktivität untersucht herausgefunden, dass je weniger Wochenstunden die Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern arbeiten, desto produktiver wurde gearbeitet.
Besonders in Ländern in welchen eine 34-36 Stunden Woche vorherrscht, liegt die Produktivitätsquote bei über 100%, wobei 100% den Arbeitsdurchschnitt abbilden. Wohingegen Länder wie Polen und Bulgarien mit 40 Stunden und mehr keine 50% erreichen.
Diese Ergebnisse decken sich mit der Studie des Eurostat aus dem Jahr 2018. Auch hier wurde die Wochenarbeitszeit mit der Produktivität der verschiedenen Länder verglichen.
Grund für die hohe Produktivitätquote sei die gesteigerte Leistungsfähigkeit und Konzentration der Mitarbeiter. Aufgrund dessen stieg auch die Motivation und die Fehlerquote am Arbeitsplatz konnte gesenkt werden.
Der Wunsch der Bürger nach weniger Arbeitsstunden ist groß. Eine umfängliche Studie der Bertelsmann Stiftung welche über 30.000 Personen über einen längeren Zeitraum befragt hat, ergab, dass Erwerbstätige bis zu 4 Stunden in der Woche weniger arbeiten wollen.
Laut Hartmut Seifert, dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Leiter der Hans-Böckler-Stiftung, sei dies auch möglich, eine Verkürzung der Arbeitszeit und eben dieser Modelle ein Zeichen wirtschaftlicher Stärke sind.
Nun stellt sich allerdings die Frage, wie viele Stunden am Tag sind denn nun sinnvoll?
Prof. Anders Ericsson an der Florida State University führte mehrere Experimente durch und kam zu dem Ergebnis, dass Menschen nur 4 bis 5 Stunden am Stück konzentriert arbeiten können. Diese Ergebnisse definieren laut Ericsson allerdings nur die Höchstleistung, die Regel liegt weit darunter.
„Employers may actually be getting much more out of their employees, if they only work 50 or 75 percent of the current work hours.“ (Ericsson)
In seinen Experimenten studierte er ausschließlich das Arbeitsverhalten der High Performer aus der Musik, Sport und Schachbranche. Dabei fand er heraus, dass diese in Zeiteinheiten von nicht länger als 90 Minuten am Stück und insgesamt selten länger als 4,5 Stunden am Tag arbeiteten. Nach 90 Minuten erfolgte immer eine längere Pause.
Hier kommt auch das Parkinson’sche Gesetz ins Spiel. Denn Cyril Parkinson, Doktor der Philosophie, stellte schon in den 1950er Jahren fest, dass Arbeit sich in dem Maße ausdehnt, "...wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“
Ein Beispiel aus der Praxis gibt Stephan Aarstol, CEO des Start-ups Tower. Aarstol ist überzeugt, zieht man Kaffeepause, privates Surfen und unnötige Meetings vom Arbeitstag ab, dann Arbeiten Mitarbeiter 5 Stunden produktiv.Tower vertreibt Paddel-boards und ist somit Hersteller von physischen Produkten. Kurz nach der Firmengründung führte Aarstol die 25 Stunden Woche, also einen 5 Stunden Arbeitstag ein. Das Gehalt wurde dabei weiterhin voll bezahlt und die Mitarbeiter am Gewinn beteiligt. Laut Aarstol war die Verkürzung der Arbeitszeit kein Aufruf weniger zu Arbeiten, ganz im Gegenteil, er forderte seine Mitarbeiter dazu auf in dieser Zeit produktiver zu arbeiten.
Mit Erfolg! Seit der Umstellung 2016 stiegen die Umsätze von Tower um 40%, ebenso wie die Produktivität der Mitarbeiter stark an.
Aber nicht nur die Produktivität lässt im Laufe des Arbeitstages und mit steigenden Arbeitsstunden nach. Eine weitere Studie zeigt, warum Mitarbeiter bei längeren Arbeitszeiten, mit gesundheitlichen Folgen rechnen müssen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat die Zusammenhänge zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der wöchentlichen Arbeitszeit erforscht. Die Daten wurden über 4 Jahre hinweg, in 4 Befragungen aufgeteilt, gesammelt.
Dabei arbeiten die meisten Menschen in einer Arbeitswoche zwischen 35 und 49 Stunden. Im Verlauf der 4 Stichproben und der 4 Jahre ist die Arbeitszeit immer weiter gestiegen, ebenso wie die Beschwerdehäufigkeit.
Dabei sind drei gesundheitliche Symptome am prägnantesten:
Schlafstörung
Rückenschmerzen
Herzbeschwerden
Die Ergebnisse wurden 2006 festgestellt und enthalten ausschließlich physische und keine psychischen Beschwerden. Laut dem Magazin hire.workwise werden die Ergebnisse um folgende psychischen Belastungsaspekte erweitert:
Nervosität
Psychische Erschöpfung
Magenbeschwerden
Burnout
Depressionen
Aufgrund des technischen Fortschritts und der immer größeren Vernetzung erledigen heute Algorithmen und KI viele langwierige und aufwendige Aufgaben, welche vor Jahren noch viel Arbeitszeit in Anspruch genommen haben. Arbeit wird schneller, effizienter und nachhaltiger.
Dabei steigt die Produktivität und der Wohlstand, allerdings bleiben die Arbeitszeitmodelle gleich. Unternehmen versuchen eine hohe Produktivitätsrate mit steigenden Löhnen auszugleichen in der Hoffnung, dass dies das richtige Motivationsmodell sei.
In der Wirtschaft wird langes Arbeiten schon immer mit Erfolg verknüpft. Diese Ansicht hält sich auch heute noch hartnäckig, denn viele Unternehmen befürchten durch eine kürzere Arbeitszeit einen Umsatzrückgang sowie Produktivitätseinbußen.
In einem Faktencheck hat das Momentum Institut sechs Annahmen gegenüber der Arbeitszeitverkürzung aufgegriffen und hinterfragt. Dabei können die Ergebnisse auf Basis wissenschaftlich fundierter Aussagen, einige Falschannahmen entkräften.
Annahmen | Faktencheck |
Eine Arbeitszeitverkürzung sorgt für den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und gefährdet damit Arbeitsplätze. | Verschiedene Studien zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung zu einem Anstieg der Produktivität, etwa durch eine bessere Gesundheit (weniger Stress, mehr Freizeit) führt (De Spiegelaere und Piasna, 2017). Auf internationaler Ebene sind Länder mit höherer durchschnittlicher Arbeitszeit generell weniger produktiv als Länder mit kürzerer Arbeitszeit (Rehm und Tesar, 2018). |
Die Arbeitszeit wird sofort von 40 Stunden auf 30 Stunden gesenkt. Dadurch werden viele Betriebe pleitegehen. | Die Ausgestaltung einer Arbeitszeitverkürzung ist nicht fix vorgegeben, sondern kann im Rahmen von politischen Prozessen so gestaltet werden, dass sowohl Betriebe ihre Abläufe als auch Arbeitnehmer ihre Lebensführung Schritt für Schritt anpassen können. (De Spiegelaere und Piasna, 2017) |
Viele Jobs erfordern längere Arbeitszeiten als 30 Stunden pro Woche. | Arbeitszeitverkürzung muss nicht unbedingt eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit bedeuten. Höherer Urlaubsanspruch oder Zeitausgleich, Karenzmodelle für Familie oder Weiterbildung, zusätzliche Feiertage oder Sabatticals reduzieren ebenfalls die Arbeitszeit. |
Niemand will weniger arbeiten. | Die durchschnittlich gewünschte Arbeitszeit in Deutschland beträgt laut einer Studie 4 Stunden weniger als die aktuell geforderten 37-40 Stunden. Die Arbeitszeitpräferenz hängt zudem von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab und ist damit politisch gestaltbar. (Huemer, 2017) |
Die Länge der Arbeitszeit folgt wirtschaftlichen Notwendigkeiten. | Die Arbeitszeit ist das Ergebnis eines politischen Aushandlungsprozesses und spiegelt gesellschaftliche Machtverhältnisse wider. Es geht um die Verteilung des erarbeiteten Wohlstandes. |
Wer mehr arbeitet leistet mehr. | Bei langer Arbeit wird man keineswegs produktiver. Die Konzentration nimmt ab, die Arbeitsschritte dauern länger und das Unfallrisiko steigt. |
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